Struktur
Home Nach oben Struktur Symbolform Geistliche Bilder I Geistliche Bilder II Welten

 
 


Wie aber ereignet sich jene Überwelt, wie baut sie sich auf? Es sei versucht weiterzugeben, was in unvergeßlichen Gesprächen mit Bô Yin Râ dem Fragesteller (=Rolf Schott, Anm.d.WM) eingesenkt, was in reichen Stunden der Anschauung in ihn hineingespiegelt worden ist. Man möge freilich bedenken, daß alles hier Mitgeteilte nur stammelnde Aussagen über eine geistige Erscheinungswelt ist, die unsere Anschauungsformen weit tiefer unter sich läßt, als der Adler den Maulwurf. Hat es sich doch herausgestellt, daß schon das bloße Ausfindigmachen von Bezeichnungen im Einzelnen oder im Ganzen für jene Bilder, denen das Eigenschaftswort «geistlich» vielleicht mehr als das seinerzeit angewendete «mystisch», aber auch längst nicht vollkommen gerecht wird, fast eine Vergewaltigung bedeutete. Was konnte das dumpfe Wort in seiner trockenen Willkür gegenüber dem holden Zwang einer von dorther eingeflößten Findung besagen? Es gilt also Hieroglyphen in des Wortes wahrstem Sinn zu deuten. Da gibt es nur ein Vorgehen, welches Erfolg verspricht, nämlich das vom inneren Einzelerlebnis aus, von der Tiefe der eigenen Individuation aus, die zwar von allen zahllosen Individuationen unterschieden, aber mit dem Göttlichen durch den «silbernen Faden», wie man schön gesagt hat, verbunden ist. Mannigfaltig ja ist das Göttliche, mehr als alle Blätter sämtlicher Bäume in der Welt zusammen; es ist weich und geschmeidig; es gibt sich in dem Maße, wie man sich ihm ergibt; es schenkt sich nur dem Erlebnis, nie dem harten und spröden System, dessen Artung dem Satanischen und Urnichtigen entspricht.

Es ist unsere einzige und wirkliche Heimat, der wir einmal, süchtig nach Ungemäßem und furchtsam vor der eigenen Kraftfülle, entglitten ins bittere Exil des Tierseinwollens und Tierseinmüssens. Auf unsere Heimat, die strahlende Überwelt, wenden wir jetzt den Blick hin. Alsbald fühlen wir uns im Inneren der unermeßlichsten Kugel. Das heilige Urlicht ist ihr Sinn und ihre Mittelpunktswirkung in Sonnengestalt, außen wiederum Kugel, innen unergründlich und Wonne ungeoffenbarter Geistigkeit. Unserem Wort und Bild eben noch entfernt faßbar ist nur die geistige Erscheinungswelt, die in Herrlichkeit von der Ursonne herstrahlt, hertönt und herpulst zu unendlichfältiger, nach außen hin immer dichter werdender Offenbarung. Da gibt es denn in unfaßbarer Entfernung von der Mitte für jeden Kraftstrahl einen Punkt, wo die Ausgießung des Geistwortes in letzter Verneinung verstummt und sich staut. Die zahllosen «Endpunkte» — dies anschaulich, nicht mathematisch gemeint! — backen sich gewissermaßen zu einer starren Hohlkugelwand zusammen, deren unausdenkbare Dichtigkeit und völlige Undurchdringlichkeit alles Lebens Vernichtung bedeutet. So verdankt auch das schroffe Nichts nur dem allgöttlichen Willen eine Art unerwarteter Bejahung und Verwirklichung, in grausiger Starre den ewigen Schlußbekundend: «Bis hierher und nicht weiter»

 
Zwischen den beiden Urgegensätzen, dem unbedingten Ja des Urlichts und seinem unumstößlich verstummen machenden Nein an der Wand des Erznichts, fluten die Lebensströme des Alls. Um sich zu formen und sich zu vereinzeln, lodern die Reize und Eingebungen aus dem heilig Unoffenbaren hinaus ins schimmernde Allkraftfeld, schweben, allmählich gedrungener werdend, in immer dichtere Bereiche, unendlich weit sich entfernend und doch noch in Freiheit gehalten und gesegnet durch die magnetische Liebesbejahung der Ursonne. Weit «außen», an die «positive» Zone angrenzend, liegt aber nun doch — als sehr dicke, aber noch vollkommen durchdringliche Kugelschale ungefähr vorzustellen — eine Art Indifferenzzone, wo der Gegensatz, den sich der göttliche Geist auf der äußersten aller Kugelschalen setzt, hereinzuwirken beginnt, eine Zone höchster Gefahr gewissermaßen für alle Emanationen, wo sie, aus der Huld sich entlassen fühlend, dem Wirkungsfeld der «Wand» sich nähern. Dort — wir können leider immer wieder nur in schattenhaften Vergleichen sprechen — ändern sich die Vorzeichen, dort wird Plus zu Minus, dort saugt schließlich der düstere Abgrund mit der Unwiderstehlichkeit der Zentrifugalkraft hinab. Das schwebende Dahingleiten durch das wonnige Meer des Alls wird schließlich in der «negativen» Zone zum Sturz und entsetzlichen Zwang, an der «Wand» zu zerschellen und in Atome zu zersplittern. .... Freilich gibt es in dieser Nachtregion des Zwanges Welten über Welten— wir könnten sie nach kabbalistischer Weise auch Schalen nennen —, wo sich die stürzenden Lebenskeime fangen und zum Innehalten über den letzten Abgründen gebracht werden, um sich dann in äonenlanger Bereitung den Rückweg zu erkämpfen. Solch eine Welt, solch eine Schale ist auch unsere astrische Welt mit allen ihren galaktischen Systemen, Sonnen, Irrsternen, Monden usw., noch bei weitem nicht die dichteste, dunkelste und peinvollste Welt! Aber diese Weltsysteme, diese äußersten Kugelschalen sind allesamt im Bann des «Gegenseins» und dem «göttlichen Leben entrückt»‘.

Jene «Wand» des Nichts hat, an sich zwar unschöpferisch, in ihrer verneinenden Bedeutung mittels ihres Widerstandes die bis hierhin gelangten Atomfunken göttlicher Ausstrahlung in starre Form zusammenzupressen. Gleichgerichtete und gleichgeartete Ur-Teilchen schießen zu Energiegebilden von ungeheuren Kräften zusammen, die lamellenartig die Hohlkugel übersäen und gleichsam die Gewalt des Nichts aushalten und verstemmen. Man fühlt sich an eine ungeheure Kristalldruse erinnert. Die Formen sind jedoch nicht kristallisch zu denken, sondern wie hautdünne Platten von außerordentlicher Geschmeidigkeit, fähig, sich walzenförmig zu rollen, sich kugelig zu machen oder in vieldimensionale Stammformen einzugehen. Wir müssen uns aber davor hüten, den Inbegriff dieser «Kruste», wie sie Yin Râ in Gesprächen oft anschaulich genannt hat und wie wir sie nach ihm kurz nennen wollen, allzusehr mit den Vorstellungen unserer Stoffwelt in Vergleich zu setzen. Vor allem ist zu bedenken, daß jene gesamten Kräfteformen fähig sind, einander völlig zu durchringen, und sich der geistigen Wahrnehmung auf vielfache Art und jedem Sinn (aber zugleich und einheitlich) dartun; das will heißen, daß sie ebenso zu Gesicht wie zu Gehör, Geruch, Geschmack usw. sprechen. .......

In jenem Schalenreich also ist die sozusagen «objektive» Grundedingung zu aller nur möglichen Realität und Wirkung gegeben, zu der Kernhülle weiterhin, von den starrsten Verstrebungen dumpfer Stoffwelten bis zu den leuchtenden Sphären und Sternen hehrster Entelechien. Die Reichweite der Kruste ist ungeheuer, wobei sich ihre Gebilde als unerschöpflicher Vorrat von Seelenkräften, Artungen, Naturen kundtun, als das Meer der Möglichkeiten schlechthin, deren Sehnsucht es ist, Wirklichkeiten zu werden.

Wie aber das?

Es ist schon gesagt worden, daß von der Ursonne unablässig Reize und Eingebungen hinausgestrahlt werden ins Kraftfeld des sich offenbarenden geistigen Kosmos. Wie unabsehbare Nebelschwaden umwölken diese Reize zart das göttliche Feuer, ein Schwarm von Ich-Keimen und Sternwerdungen, nach Gestaltung drängend. Zunächst sind sie noch in strengen Gruppen gradlinig und geometrisch zusammengenommen. (Wir werden derartige Gebilde etwa auf den Kompositionen «Weltwanderung» und «Stern der Weisen» bemerken.) Dann lockern sie sich auf zu wallenden Wolken und lichtem Rauch (wie auf den Bildern «Tempel der Ewigkeit» und «Sonnensymphonie» zu sehen ist), befinden sich aber in welliger Bindung wie bewegte Bänder und Schnüre. Sind sie doch auch geradezu «Nabelschnüre». Ihre Wirksamkeit ist lebenleitende Verknüpfung zwischen Gebärendem und Geborenem. Endlich aber lösen sie sich ganz auf, um als gestaltwollende Einzelwesen nach den Außenbereichen zu dringen. Wenn diese sich in ewigkeitlicher Entfaltung sonnenhaft verklärt haben, dann mag es sich ergeben, daß die Sonnen sich wieder zu seligem Reigen verketten (ein Beispiel davon enthält das Bild «Erlösung»).

Die Einzelwesen können ihrer Formung und Organisierung noch innerhalb der «Indifferenzzone» völlig teilhaftig werden, selig geborgen in leidlos elysischen Bezirken, wo die Kraft und Huld göttlichen Seins zwar verhaltener werden, aber immer noch in ihren Würden stehen.

Beträchtliche Gruppen aber geraten, durch die ihnen zuteil gewordene Bewußtseinsentfaltung bestürzt und süchtig gemacht, bis in das «Gegensein»: sie «fallen», fallen bis ins Tiersein, wie bei uns, oder noch tiefer. Aber es ist doch so, daß auch die gefallenen Engel einen Punkt der Umkehr erreichen, wie denn also sämtliche göttlichen Keime in der Gestaltung den Rückweg finden, die einen noch im Umkreis beseligenden Lichtes, die anderen in der Feuerpein äußerer Gottverlassenheit und Leidensschule reingeglüht.

 Unablässiger Aufschwung, ewige Loslösung, denen die Kruste Lenkung, Gestaltung und Seelenstoff hingibt. Der Geist wird immer nur mittelbar gefaßt; auch die Geistfunken, welche aus dem Urlichtmeer spritzten und strahlten. Die an Funken ankristallisierenden Seelenkräfte gehören von nun an dem Geiste an, und sie werden ihm in der Einung zum Sinnbild. In unendlichem Aufstieg schwingt sich das durch alle Hierarchien empor und nach innen, sein Ziel nie erreichend, ihm dennoch immer näherkommend und sich angleichend. Die dort zu findende Identität und Verbundenheit mit dem innersten Ich ergibt, weil sie unendlichfältig ist, Identität mit dem kosmisch-metakosmisch Ganzen. Wer innen ist, der ist auch überall außen zugleich.

Nur in der Indifferenzzone ist die Freiheit der Entscheidung nach innen und außen oder oben und innen gegeben. In der positiven Zone hingegen überwiegt die Zentripetalkraft der Ursonne und besteht unwiderstehlich die Strebung gegen den Mittelpunkt hin, wo übrigens - von hier oder von der Indifferenzzone her - Wirkungsmöglichkeit in der Richtung nach außen bis an die unausdenkbar harte und urböse Nichts-Wand hin durchaus besteht. Der «Fall» ist nicht eigentlich gottgewollt und notwendig. Das Einwirken auf negative Zone ist nicht unbedingt mit einem Hineinstürzen in dieselbe verkettet. Wenn zwar der «Fall» auch zur Gottheit gehört, so doch nicht in ihrem ersten Willen, sondern gewissermaßen induktiv ihrem zweiten, von der Indifferenzzone aus nach der anderen Richtung umschlagenden Willen. Wie alles, ist auch der Fall in ewigem Ereignen und immerwährendem Vollzug. Das allzuweite Vordringen stürzenden Entelechien, hervorgerufen durch Gefühle von Angst, Schwindel und zugleich Lüsternheit nach dem unkeuschen Abgrund, reißt sie aus dem lebendig pulsenden Willen der hegenden Geistigkeit; denn er reicht nur bis zu dem höchsten sublimierten Bezirk der Kruste hin.

......

Mit Worten läßt sich aber an alle diese Dinge kaum herantasten.


Bilder: Logos, Lebenskeime und Erlösung (von Bô Yin Râ )
Text: Gekürzter Auszug aus dem Buch:

Der Maler Bô Yin Râ“ (von Rolf Schott.)

 

 

Home Nach oben Struktur Symbolform Geistliche Bilder I Geistliche Bilder II Welten

09.11.2012