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Auszug aus dem Buch "Mehr Licht" von Bô
Yin Râ
VOM Winde gejagten Vögeln
gleich hat eure Vorstellung von "Gott" eine Sphäre erreicht, weit
jenseits aller wachen Wirklichkeit. Ihr habt euch träumend einen "Gott"
erdichtet, der nur ein intellektueller Fetisch ist. Der Wilde schafft
sich einen "Gott" aus einem Baumklotz, den er mit dem Messer formt, bis
er zu seiner Seele spricht. Ihr aber schuft euch euren "Gott" im Denken
aus Gedanken! Er "muss" vermeintlich so sein wie ihr ihn haben wollt,
und wenn ihr, selbst im Traum, entdeckt, dass niemals Wirkliches aus
eurem Götzen redet, dann gebt ihr doch die Vorstellung nicht auf, dass
"Gott" nur so, wie ihr ihn selbst gestaltet habt, sein Dasein haben
könnte, wäre er im Dasein. Ihr wisst nicht, dass der lebendige Geist,
soll er des Erdenmenschen "Gott" sein, den Menschen, der aus ihm
hervorgeht, braucht, "nach seinem Bilde" sich zu formen. Das ungeformte
Meer des Geistes wollt ihr fassen, und es entgleitet, indem ihr es zu
halten wähnt, euren Händen!
Einst sagte euch einer: "Der
Geist erforscht alles, auch die Tiefen der Gottheit! " Ihr aber
erdreistet euch in euren Träumen, auch den Geist zu erforschen, gebt ihm
wünschenswerte Attribute, und nennt ihn, eurer Weisheit froh, in aller
vermeintlichen Ehrfurcht ehrfurchtslos: euren "Gott"! Die ihn leugnen,
bleiben dennoch ihrem Wahn verhaftet, denn ihr Leugnen ist Wahn, wie der
anderen träumender Glaube. Gedanken schaffen den Götzen, und Gedanken
zerstören den Gedachten, ohne die Wirklichkeit auch nur von ferne zu
berühren.
WAHRLICH, eine Wirklichkeit ist
Ursache dieses Wähnens der Träumenden, aber sie wäre nicht Wirklichkeit,
könnte Traumwahn sie jemals betasten. Unnahbar wie der Blitz, der von
Wolke zu Wolke überspringt, blendend wie die Sonne am Mittag und
sogleich wieder in Nacht gehüllt, ist jenes Wirkliche ewig lebendig, und
wirkend sich selbst in seiner gewaltigen Macht und Größe. Aber es ist
unendlich ferne eurer Vorstellung vom "Geiste", unendlich ferne jeder
Vorstellung von "Gott", die hier auf diesem Erdball "Religionen" schuf.
Und doch: wenn je ein "Gott" den Gläubigen erhört, mag dieser Gläubige
nun: Brahma, Allah, "Vater", "Herr" und "Heiland", Christus oder Buddha
rufen, so ist es einzig jene Wirklichkeit, die ihm Erhörung schafft.
Nur wirklich Erwachten wird sie
offenbar.
Nur denen, die den Schlaf und
seine Träume für immer verlassen haben, gibt sie sich zu erkennen.
Nur wer erwacht, mit wachen
Sinnen seinen Gott vernehmen kann, darf hoffen, dass er in ihm selbst
das Wort des Lebens spreche.
Solange du noch glaubst, in
deinen Träumen der Gottheit zu begegnen, musst du es dulden, dass dich
deine selbstgeschaffenen Götzen äffen und du ihr Spielball wirst.
GLAUBE nicht, diese Götzen
seien machtlos, wie du selbst dir erscheinst! Du selbst hast sie mit
Macht begabt und weißt es nicht!
Noch ahnst du nicht, dass du
mit Macht begaben kannst, und dass gerade darin deine Macht besteht,
dass über Mächte du gebieten kannst, die weitaus mächtiger sind als du
...
So hast du dir Götzen erdacht,
und denkend sie mit Macht begabt durch deinen Glauben!
Ihr spottet des Glaubens oder
wollt ihn durch Wissenschaft stützen, aber ihr wisst noch nicht, dass
euer Glaube mehr ist als das, was ihr glaubt! Im Glauben ist euch eure
höchste Kraft gegeben, weil ihr durch den Glauben Mächte euch zu Dienern
machen könnt, die urgewaltig wirken, wo sie durch den Glauben frei von
ihren Fesseln werden.
Ihr könnt diese Mächte zum
Dienen zwingen durch den Glauben, und könnt sie zwingen, euch zu quälen,
ja euch zu vernichten!
Durch das, was ihr von eueren
selbsterdachten Götzen glaubt, habt ihr sie reich begabt mit Macht, und
wahrlich, diese Macht ward nicht zu eurem Segen, denn ihr glaubt euch
eure Götzen selbst zu Kerkermeistern!
In unserer Zeit ward euch oft
gesagt, dass Gedanken "Dinge" seien, "wirklich", wie die greifbare
"Wirklichkeit" der Dinge dieser Erde, doch ich sage euch, eure Gedanken
sind wahrhaftig mehr als die "Dinge" dieser Erde, sind Kräfte:
einzielige Bewusstheiten, denen nichts auf dieser Erde zu vergleichen
ist, erfüllt mit gierigem Lebenswillen, dem ihr durch euer Denken
Nahrung schafft!
Aus solchen Kräften habt ihr
eure Götzen gebildet und sie durch euren Glauben mit der Macht begabt,
euch Gutes oder Böses anzutun nach ihrem Willen.....
Ihr könnt aber den Gott eurer
Träume, den Milliarden seit ferner Vorzeit schufen, nicht von heute auf
morgen vernichten, auch wenn ihr stolz verkündet: "Gott ist tot!"
Er wird euch immer wieder
zeigen, dass er noch am Leben ist, sich nährend von Unzähligen, die ihn
aufs neue erdenken, und seiner Macht gewaltig, die ihm täglich neuer
Glaube gibt.
Er spottet eurer Traumes
Übermenschen Herrlichkeit und lässt euch ruhig rufen: "Gott ist tot!"
derweil sein Leben auf Jahrtausende gesichert ist, durch tausendjährig
wiederholten Glauben.
Nicht eher werdet ihr euch
seiner Macht entwinden, als bis für euch der Tag erscheint, der euch dem
Schlaf und Traum entreißt.
ABER noch seid ihr des Traumes
Sklaven!
Noch liebt ihr den Traum, der
euch den Tag verbirgt, und haltet ihn für waches Leben.
Ihr ahnt noch kaum, dass selbst
die Träume eurer Erdennächte näher sind dem wirklich wachen Leben, als
das, was ihr die Wirklichkeit des lichten Tages nennt ...
Noch liebt ihr allzu sehr die
Enge eurer Träume, gleichwie der Vogel, der im Käfig aus dem Ei
entschlüpfte, nicht entflieht, auch wenn die Türe seines Kerkers offen
steht.
Der Vogel fühlt sich darin
heimisch, weil er nur die Stäbe seines Bauers, die ihm die Freiheit
rauben, kennt und liebt, und ebenso fühlt ihr euch nur heimisch in eurem
Wissen von den Dingen, die ihr gut zu wissen glaubt. Es ist euch
un-heim-lich, aus den Kerkerwänden dieses Wissens hinaus zu fliehen in
jene freie, wache Welt der Wirklichkeit, die jenseits allen Wissens ist,
die nur erfährt, wer selber in ihr: wirklich wird, und also zu sich
selber kommt, befreit von aller Qual des Wissen Wollens.
Redet euch dann aber wahrhaftig
einmal einer, der davon reden kann, von dieser Welt der Wirklichkeit,
die ihn umgibt, obwohl er selbst auch noch das Traumreich kennt, in dem
ihr lebt, sofort seid ihr bereit, mit tausend Fragen ihn zu überfallen,
deren Antwort euer Wissen mehren soll, doch selten nur will einer alles
Wissen seinen Träumen schenken, und wirklich werden in der von ihm
vielleicht schon geahnten Welt der Wirklichkeit ...
Hier aber liegt der Schlüssel
in tiefem Schachte verborgen, seit Ewigkeit gehütet von den "Müttern"!
Wer nicht hinabsteigt zu ihnen,
wird ihn nicht erlangen.
Wer nicht das Wissen seines
Traumes seinem Traume überlässt, und mutig auf sich selbst verzichtend,
sich ins Ungewusste, niemals seinem Wissen Unterworfene wenden will, der
wird, in seinen Träumen vermeintlich wissend, ewig suchen können, ohne
je zu finden, was er sucht.
Er liebt seinen Traum zu sehr,
als dass ihm jemals ein machtvoller Wille zum Erwachen erwachsen könnte.
Euer Wissen Wollen ist es, das
euch vom Erkennen ferne hält! Euer Wissen Wollen ist es, das euch nicht
erwachen lässt! Euer Wissen Wollen ist es, das euch zu Sklaven eurer
Götzen macht, wie immer ihr sie auch mit Namen nennen mögt!
Solange ihr aber einem
selbstgeschaffenen Götzen aus "Gedankentrieben" unterworfen seid, auch
wenn ihr ihn "den einen, wahren Gott" zu nennen pflegt, kann niemals
lebendiger Geist sich selbst in euch zu eurem "lebendigen Gott" gebären.
BEVOR der "lebendige Gott" in
dir geboren ist, musst du notwendigerweise ein "gottloser Götzendiener
deiner Traumwelt" sein.
Bevor der "lebendige Gott" in
dir geboren ist, bist du lebendig tot, und ahnst noch nicht in deinen
kühnsten Träumen, was dein Leben in Wahrheit ist, dein Leben, das du,
träumend, längst zu kennen glaubst.
Bevor der "lebendige Gott" in
dir geboren ist, muss das "Wissen" deiner Traumwelt dich am Gängelbande
führen, und alles, was dir wahrer scheint als früheres Bedünken, ist nur
neuer Irrtum, neuer Traum, nur gültig für die Welt deines Traumes
innerhalb ihrer Bereiche.
Dein Wille zum Erwachenwollen
nur kann dich aus deinen Träumen reißen, und denen, die bereits
erwachten, helfen, dich aus deinem Schlafe zu befreien. Nur in erwachten
Seelen kann der "lebendige Gott" sich selbst aus "Geist und Wasser"
gebären. (Zu "wissen", was dieses Wort besagt, wird nicht von dir
verlangt. Wenn du es jedoch erfahren willst, wirst du zuvor erwachen
müssen!)
NOCH möchtest du nur erwachen,
allein du willst noch deine Träume weiter träumen!
Noch bindet dich die Traumwelt,
die dich seit der Jugendzeit umgab. Noch fesseln dich der Andern Träume
allzu sehr, und du wagst es nicht, deine eigenen Wege zu beschreiten,
denn dich schreckt die Einsamkeit, durch die du unermüdlich wandern
musst, wenn du die neuen Gefährten der Welt der Wirklichkeit dereinst
erreichen willst.
Doch all diese Hemmnisse wirst
du überwinden müssen, willst du jemals zur Klarheit des wachen Tages
gelangen.
Ich rate dir: fasse noch heute,
während du diese Worte liest, den festen Willen, dich nicht mehr länger
dem gemeinsamen Schlafe deiner Schlaf und Traumgenossen hinzugeben!
Ich rate dir: fasse heute noch
den festen Willen, alles aufzubieten, um im Lichte meiner Lehre deine
Träume als solche zu erkennen!
Ich rate dir: überlasse dein
ganzes bisheriges "Wissen" in Ruhe der Traumwelt, die es dir gab,
gebrauche es ruhig weiter, soweit du auch weiter mit Träumenden
verbunden bleibst, doch erwarte nicht mehr von ihm die Lösung der
letzten Fragen, die das Menschenherz bewegen!
UND ich rate dir ferner:
misstraue jedem in frommen Formeln sich genügenden Massenglauben, wie
dich gar mancher in deiner Traumwelt noch immer erreichte, besonders
wenn er dich durch Ängstigung gewinnen will! Misstraue mehr noch denen,
die da allen Glaubenswahn der Träumenden in einem alles vermischenden
neuen Glaubenswahn vereinigen wollen!
Misstraue jenen, die durch neue
vorgebliche "Wissenschaft" den alten Glauben ihrer Träume übertünchen!
Suche dich loszureißen von
jeder Vorstellung, die andere Träumende in deine Träume brachten, auf
deine Frage nach den letzten Dingen! Wohl steckt in jedem Glaubenswahn
ein Körnchen Wahrheit, wie auch den Träumen deiner Erdennächte oft ein
äußerliches Geschehen oder ein körperlicher Zustand ihre Auslösung
schafft, aber gerade wegen dieser wenigen wahnverhüllten Wahrheit kann
dir jeder Glaubenswahn der Traumwelt, in der du seither dich "wachend"
glaubst, zum Verhängnis werden und dich verleiten, Wahn um der Wahrheit
willen für wahr zu nehmen!
Hüte dich, was du nun zu
erlangen strebst: die Wahrheit des lichten Tages der Wirklichkeit, durch
dein Denken erschließen, oder nach den dir bekannten Denkgesetzen
überprüfen zu wollen!
Was du nun erlangen willst,
steht über dem Denken, und du kannst erst, wenn du es erlangtest, dein
Denken zu ihm erheben!
Was du nun erlangen willst,
musst du selber werden; es kann dir niemals durch die Formen deiner
seitherigen Versuche, die Wahrheit zu erfassen, sich erschließen.
Bô Yin Râ "Mehr Licht"
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